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Betriebsausschuss; Mitgliederwahl

By 11.08.2020Januar 13th, 2021Keine Kommentare

§ 27 BetrVG

Betriebsausschuss ; Mitgliederwahl

Amtlicher Leitsatz:

1. Gesetzesverstöße bei der Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses müssen grundsätzlich in einem Wahlanfechtungsverfahren geltend gemacht werden.

a) Bei einer betriebsratsinternen Wahl tritt an die Stelle der Anfechtungsbefugnis von drei Wahlberechtigten die Anfechtungsbefugnis eines einzelnen Betriebsratsmitglieds. Im übrigen bleibt es dahingestellt, inwieweit der Kreis der Anfechtungsberechtigten bei betriebsratsinternen Wahlen abweichend von § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gezogen werden muß.

b) Die Anfechtungsfrist beträgt in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zwei Wochen.

2. Die Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses ist ebenso wie die Betriebsratswahl nur in besonderen, eng begrenzten Ausnahmefällen nichtig. Werden die weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses entgegen § 27 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht durch jede Gruppe, sondern durch den gesamten Betriebsrat gewählt, so führt dieser Fehler nicht zur Nichtigkeit der Ausschusswahl.

3. Mit einer Neuwahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses kann eine Abberufung der früher gewählten Ausschußmitglieder verbunden sein. Eine Neuwahl ohne Abberufung der früher und wirksam gewählten Ausschußmitglieder ist nichtig.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 16. Mai 1990 durchgeführten Wahl der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses. Der Antragsteller ist Mitglied des Betriebsrats, der vom 20. bis 22. März 1990 bei der Arbeitgeberin im Werk gewählt wurde. Die Betriebsratswahl wurde als Gruppenwahl durchgeführt. Die kleinere Gruppe der Angestellten erhielt fünf Vertreter im Betriebsrat. Ihr gehört mehr als ein Zehntel der Mitglieder des Betriebsrats an. Der Antragsteller zählt zur Gruppe der Arbeiter. Mit Schreiben vom 27. März 1990 lud der Wahlvorstand zur konstituierenden Sitzung des neu gewählten Betriebsrats für den 2. Mai 1990 ein. Das Einladungsschreiben enthielt keine weiteren Tagesordnungspunkte. In der Sitzung vom 2. Mai 1990, in der von den fünf Vertretern der Angestellten vier anwesend waren, wurden auch die weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses gewählt, und zwar nicht getrennt durch die Gruppen der Arbeiter und der Angestellten, sondern gemeinsam durch den gesamten Betriebsrat. Unter den damals gewählten Ausschußmitgliedern befand sich der Antragsteller. In der Betriebsratssitzung vom 4. Mai 1990 forderten der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und ein Betriebsratsmitglied den Antragsteller auf, sein Mandat im Betriebsausschuss niederzulegen, andernfalls werde er vom Betriebsrat abgewählt. Diese Aufforderung wurde am 8. und 9. Mai 1990 wiederholt. Der Antragsteller lehnte einen Rücktritt ab. Mit Schreiben vom 14. Mai 1990 lud der Betriebsratsvorsitzende zu der Betriebsratssitzung vom 16. Mai 1990 ein. Das Einladungsschreiben enthielt folgende Tagesordnung: „1. Feststellung der Nichtigkeit der Wahl des Betriebsausschusses vom 02.05.1990 2. Wahl sieben weiterer Betriebsausschuß-Mitglieder.“ Der Antragsteller reichte unter Protest einen Wahlvorschlag für diese Betriebsausschusswahl ein. In der Sitzung vom 16. Mai 1990 fasste der Betriebsrat den Beschluss, dass die vorausgegangene Wahl des Betriebsausschusses vom 2. Mai 1990 nichtig sei. Anschließend wurden erneut die weiteren sieben Mitglieder des Betriebsausschusses gewählt. Der Antragsteller unterlag in dieser Wahl. Mit seinem am 28. Mai 1990 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller die Betriebsausschusswahl vom 16. Mai 1990 angefochten. Zur Begründung hat er geltend gemacht: Der Betriebsrat habe die Betriebsausschusswahl vom 2. Mai 1990 nicht wiederholen dürfen. Er sei nicht berechtigt gewesen, mit Beschluss vom 16. Mai 1990 die Nichtigkeit der Betriebsausschusswahl vom 2. Mai 1990 festzustellen. Zwar sei bei der Wahl vom 2. Mai 1990 gegen die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verstoßen worden. Dies führe jedoch nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Zum einen handele es sich bei dieser Vorschrift lediglich um eine Sollvorschrift, zum anderen sei eine Nichtigkeit der Wahl nur beim Vorliegen ganz grober Rechtsverstöße anzunehmen. Die fehlerhafte Wahl vom 2. Mai 1990 hätte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen, so daß die Betriebsausschusswahl vom 2. Mai 1990 unanfechtbar geworden sei. Der Beschluss, mit dem der Betriebsrat die Nichtigkeit der Wahl vom 2. Mai 1990 festgestellt habe, könne auch nicht als Abberufung der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses ausgelegt werden. Im übrigen könne, selbst wenn die Mitglieder des Betriebsausschusses nicht von der jeweiligen Gruppe gewählt seien, die Abberufung nur durch die jeweilige Gruppe erfolgen, nicht aber durch den gesamten Betriebsrat. Da die weiteren Ausschussmitglieder am 2. Mai 1990 wirksam gewählt und nicht abberufen worden seien, habe am 16. Mai 1990 keine erneute Ausschusswahl stattfinden dürfen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. BAG, 13.11.1991 – 7 ABR 18/91