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Gestellte Arbeitnehmer – Wählbarkeit zum Betriebsrat

By 11.08.2020Januar 13th, 2021Keine Kommentare

§ 5 Abs. 1 BetrVG

Gestellte Arbeitnehmer – Wählbarkeit zum Betriebsrat

Der Fall (verkürzt):

Beteiligte des Verfahrens sind eine GmbH, der Betriebsrat sowie die antragstellende Gewerkschaft. Die Arbeitgeberin, eine privat-rechtlich organisierte GmbH, wurde im Jahre 2005 gegründet. Sie war zunächst eine 100%ige Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Später trat dann ein privater Investor ein. Die Geschäftsführung wurde vom Universitätsklinikum gestellt.

Die GmbH erbringt für das Klinikum nicht medizinische Dienstleistungen, insbesondere Reinigungsleistungen, Hol- und Bringdienste sowie Transportleistungen. Dazu sind 700 Arbeitnehmer unmittelbar bei der GmbH angestellt. Darüber hinaus sind dort bereits seit vielen Jahren 284 beim Universitätsklinikum angestellte Arbeitnehmer tätig. Zwischen der GmbH und dem Universitätsklinikum besteht zu diesem Zweck ein Personalgestellungsvertrag. Die grundsätzlichen personellen Angelegenheiten liegen für diese gestellten Arbeitnehmer weiterhin beim Klinikum, dem Vertragsarbeitgeber, die fachlichen Weisungsrechte sind auf die GmbH übertragen. Das Klinikum verfügt über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.

Im Zuge der Betriebsratswahlen sah der eingesetzte Wahlvorstand die im Wege der Personalgestellung eingesetzten Beschäftigten des Universitätsklinikums nicht als passiv wahlberechtigt an und wies einen dagegen gerichteten Einspruch einer betroffenen Arbeitnehmerin gegen die Wählerliste als unbegründet zurück. Ebenso wurde eine eigene Wahlvorschlagsliste auf der gestellte Mitarbeiter zur Wahl kandidierten, von dem Wahlvorstand zurückgewiesen.

Die zuständige Gewerkschaft leitete daraufhin ein Anfechtungsverfahren beim Arbeitsgericht ein. Der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, in dem er die gestellten Arbeitnehmer nicht als wählbar behandelt habe.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Anfechtungsklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Durch die Nichtberücksichtigung der gestellten Arbeitnehmer als passiv wahlberechtigt und die Zurückweisung der von der Antragstellerin eingereichten Liste hat der Wahlvorstand Wahlfehler begangen, die zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigen.

I. Arbeitnehmerbegriff der Betriebsverfassung

Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung sind die in § 5 Abs. 1 genannten Personen. Dies sind seit 2009 zusätzlich auch die in § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG genannten Personengruppen; neben Beamten und Soldaten insbesondere Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privat-rechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, hier also die gestellten Arbeitnehmer des Universitätsklinikums.

Der Gesetzgeber hat allerdings nicht konkret geregelt, inwieweit diese speziellen Arbeitnehmer den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes unterfallen, ob also in jeglicher Hinsicht oder aber nur eingeschränkt. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt, dass die in § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG genannten Beschäftigten jedenfalls bei den organisatorischen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zu berücksichtigen sind (BAG, 15.12.2011 – 7 ABR 65/10). Zu den organisatorischen Bestimmungen gehören danach solche Regelungen, die auf die regelmäßige Anzahl der (wahlberechtigten) Arbeitnehmer des Betriebs abstellen.

II. Wählbarkeit

Arbeitnehmer der Betriebsverfassung sind nunmehr nach klarer Bestätigung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur nach § 7 BetrVG wahlberechtigt, sondern auch bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gem. § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG wählbar. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Die grundsätzliche Einbeziehung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in die Betriebsverfassung habe ihren Sinn in der Erkenntnis, dass diese Personengruppe aufgrund ihrer Tätigkeit im Einsatzbetrieb von den dort getroffenen Entscheidungen des Betriebsinhabers betroffen ist. Diese Betroffenheit müsste sich dann aber auch in der Möglichkeit auswirken, in das System der betrieblichen Interessenvertretung integriert zu werden, also auch zum Betriebsrat aktiv und passiv wahlberechtigt zu sein.

Hinweis für die Praxis:

Auf den ersten Blick mag dies in gewissem Widerspruch zu den speziellen gesetzlichen Regelungen für Leiharbeitnehmer stehen. So regelt § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG, dass Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb gerade nicht wählbar sind, sondern dass Leiharbeitnehmern nur das aktive Wahlrecht zusteht (vgl. auch § 7 S. 2 BetrVG). Das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu nur knapp geäußert. Die Neuregelung des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG gehe den speziellen Regelungen für Leiharbeitnehmer vor. Die Wählbarkeit kann daher auch nicht im Falle von Arbeitnehmerüberlassung verneint werden.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht integriert nun mit einem weiteren Beschluss gestellte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in vollem Umfange in die Betriebsverfassung. Diese Mitarbeiter sind nicht nur bei den Schwellenwerten voll zu berücksichtigen, sondern auch aktiv und passiv wählbar.