§ 87 BetrVG; § 2 Abs. 1 ArbZG
Vergütung von Umkleidezeiten
Ob das An- und Ablegen von Berufskleidung am Arbeitsort als Privatvergnügen gilt oder nicht, ist im Grundsatzurteil des BAG vom 19.9.2012 ( 5 AZR 678/11) geregelt.
Damit die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für die Umkleidezeit erfüllt sind, müssen 3 Bedingungen beachtet werden.
Es muss
1.) eine klare Anweisung vom Arbeitgeber vorliegen, dass
2.) der Arbeitnehmer eine bestimmte Kleidung zu tragen hat und sich
3.) dafür im Betrieb umziehen soll.
Sind alle drei Bedingungen gegeben, so handelt es sich nicht um ein Privatvergnügen sondern es liegt Arbeitszeit vor, die entsprechend zu vergüten ist.
Leitsatz des Urteils (BAG vom 19.9.2012 ( 5 AZR 678/11))
Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind im Anwendungsbereich des TV-L vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss.
Auszug des Urteils (BAG vom 19.9.2012 ( 5 AZR 678/11))
Rn. 22-24:
§ 2 Abs. 1 ArbZG definiert die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Entscheidend ist damit, ob die streitgegenständlichen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten „Arbeit“ sind.
Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 22. April 2009 – 5 AZR 292/08 – Rn. 15, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11; 20. April 2011 – 5 AZR 200/10 – Rn. 21, BAGE 137, 366, jeweils mwN). Zur Arbeit gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt. Im Streitfall kommt hinzu, dass das Tragen der Berufs- und Bereichskleidung der Beschäftigten im OP-Bereich primär hygienischen Zwecken und damit betrieblichen Belangen der Beklagten dient (vgl. BAG 10. November 2009 – 1 ABR 54/08 – Rn. 15 ff., AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 125 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 14; BVerwG 9. März 2012 – 6 P 27/10 – Rn. 22, NZA-RR 2012, 501; Buschmann/Ulber ArbZG 7. Aufl. § 2 Rn. 10; ErfK/Wank 12. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16; Schliemann ArbZG § 2 Rn. 32 ff.). Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss (BAG 28. Juli 1994 – 6 AZR 220/94 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 77, 285). Nicht zur Arbeitszeit zählende Wegezeit bleibt aber der Weg von der Wohnung des Arbeitnehmers bis zu der Stelle, an der die Arbeit beginnt, im Streitfall also auch der Weg vom Eingang des Klinikgebäudes bis zur Umkleidestelle im Tiefparterre (im Ergebnis ebenso Burger in Burger 2. Aufl. TVöD/TV-L § 6 Rn. 6; allgemein zur Einordnung der Wegezeit im Arbeitszeitrecht, ErfK/Wank 12. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 mwN; Buschmann/Ulber ArbZG 7. Aufl. § 2 Rn. 7 f.; Schliemann ArbZG § 2 Rn. 37 ff.; Anzinger/Koberski ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 16 ff.).
In welchem zeitlichen Umfang Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich – soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht – nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten (BAG 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 – BAGE 109, 87). Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit.