§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG
Wahlbewerber – besonderer Kündigungsschutz
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 12. Mai 2010 – 5 Sa 361/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.
Die Beklagte hat ihren Sitz in B. Sie erbringt mit etwa 450 Mitarbeitern bundesweit Dienstleistungen in der Luftfahrtbranche. Der 1952 geborene Kläger war bei ihr seit dem 1. Februar 2008 als Luftsicherheitsassistent tätig. Regelmäßiger Einsatzort des Klägers war der Flughafen L. An diesem Standort unterhält die Beklagte eine Niederlassung mit insgesamt 46 Arbeitnehmern.
Am 16. Juli 2008 erteilte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung eine „Probezeitbeurteilung“, die teils positive und teils – ua. hinsichtlich des Kriteriums „Arbeitsweise“ – negative Bewertungen enthielt. Nach der Betriebsvereinbarung sind Beanstandungen bei der Arbeitsweise geeignet, eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten über die – im Arbeitsvertrag des Klägers mit sechs Monaten vereinbarte – Probezeit hinaus auszuschließen.
Am Sonnabend, dem 26. Juli 2008 war der Kläger zur Arbeit am Flughafen L eingeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war ein Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl für den Betrieb der Niederlassung bestellt. Noch am selben Tag fertigte der Kläger einen ihn als Bewerber ausweisenden schriftlichen Wahlvorschlag (Vorschlagsliste). Zugleich erklärte er auf der Vorschlagsliste sein Einverständnis mit der Kandidatur. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts brachten vier weitere Arbeitnehmer der Beklagten in der Zeit von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr des Tages auf dem Vorschlag ihre Stützunterschrift an. Um 16:38 Uhr gab der Kläger den Wahlvorschlag als ein an den Wahlvorstand gerichtetes Einwurfeinschreiben zur Post. Es ging beim Wahlvorstand frühestens am 28. Juli 2008 ein.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2008, das dem Kläger am 28. Juli 2008 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit" zum 3. August 2008.
Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, er habe bei Zugang der Kündigung den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG besessen. Dieser greife ein, sobald ein Wahlvorschlag mit der erforderlichen Mindestanzahl von Stützunterschriften vorliege. Unabhängig davon sei die Kündigung gemäß § 134 BGB iVm. § 20 BetrVG und § 612a BGB nichtig. Sie sei als Reaktion auf seine Kandidatur für den Betriebsrat und deshalb erfolgt, weil er Vorgesetzte auf Missstände hingewiesen habe.
Bei der Betriebsratswahl vom 2. September 2008 wurde der Kläger als ordentliches Mitglied in den Betriebsrat gewählt.
Der Kläger hat – soweit noch von Bedeutung – beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Juli 2008 nicht aufgelöst worden ist;
Der Kläger hat – soweit noch von Bedeutung – beantragt festzustellen, die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Luftsicherheitsassistent am Flughafen L weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die ordentliche Kündigung sei nicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausgeschlossen. Der den Kläger benennende Wahlvorschlag sei im Kündigungszeitpunkt noch nicht „aufgestellt“ gewesen. Dafür sei zumindest der Eingang eines mit der notwendigen Anzahl von Stützunterschriften versehenen Wahlvorschlags beim Wahlvorstand erforderlich. Dies sei erst am 29. Juli 2008 geschehen. Die Kündigung stelle auch keine Behinderung der Betriebsratswahl oder Maßregelung des Klägers dar. Ihr Kündigungsentschluss beruhe ausschließlich auf der schlechten Beurteilung des Klägers.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.