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Tendenzbetrieb

By 03.08.2020Januar 13th, 2021Keine Kommentare

Tendenzbetrieb

Auf Tendenzunternehmen und Tendenzbetriebe ist nach § 118 BetrVG das Betriebsverfassungsgesetz nur eingeschränkt anwendbar. Die Anwendbarkeit der Vorschriften hängt jeweils davon ab, ob ihrer Anwendung die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegensteht.

Tendenzunternehmen und –betriebe sind nach der gesetzlichen Definition „Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend

  1. politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder
  2. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet,

dienen“.

Diese Regelung soll die Ausübung der speziellen verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte des Arbeitgebers bei der Verfolgung geistig-ideeller Zielsetzungen gewährleisten. Demgegenüber werden die Rechte der Arbeitnehmer, soweit diese Garantie es erfordert, zurückgedrängt. Das Bundesverfassungsgericht spricht dazu von einer „Abschirmung“ der dem Arbeitgeber garantierten Grundrechte gegenüber der => Mitbestimmung (betriebliche) durch die Arbeitnehmervertretung. Das Bundesarbeitsgericht spricht von der Zielsetzung, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Freiheitsrechten der Tendenzträger und dem Sozialstaatsprinzip zu schaffen.

Die Vorschrift wirft zahlreiche Abgrenzungsfragen auf. So erfordert das überwiegende geistig-ideellen Zielsetzungen Dienen eine quantitativ-numerische Bewertung, beispielsweise bei personalintensiven Unternehmen danach, in welchem Umfang die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer für die geschützten Ziele eingesetzt wird. Auch muss das Merkmal der Unmittelbarkeit dadurch erfüllt werden, dass die ausschlaggebende Tendenz im Unternehmen selbst verwirklicht wird.

Den Schutz als Tendenzbetriebe genießen beispielsweise die Verwaltungen politischer Parteien, Behindertenverbände und Wirtschaftsverbände sowie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Karitativen Bestimmungen dienen Unternehmen, die sich der Hilfe für körperlich, geistig oder seelisch leidende Menschen widmen, ohne dabei die Absicht der Gewinnerzielung zu verfolgen. Auch darf das Unternehmen nicht aufgrund Gesetzes zu derartigen Hilfeleistungen verpflichtet sein. Eine Verfolgung erzieherischer Zielsetzungen setzt neben der Vermittlung bestimmter Fertigkeiten die Formung der Persönlichkeit durch methodische Unterweisungen voraus. Wissenschaft ist nach der Rechtsprechung, was nach Inhalt und Form als ernsthafter und planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit zu werten ist. Künstlerische Zielsetzungen verfolgt ein Unternehmen, wenn es sich der Gestaltung eines seelisch-geistigen Inhalts durch eine eigenwertige Form nach bestimmten Gesetzen widmet, was beispielsweise bei Theatern, Filmproduktionsbetrieben, Konzertagenturen, Symphonieorchestern, Musik- und belletristischen Verlagen oder auch Revuen und Zirkusunternehmen der Fall ist. Zwecken der Berichterstattung und der Meinungsäußerung dienen vor allem Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage, Nachrichtenagenturen sowie Rundfunk- und Fernsehsender.

Eingeschränkt sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Tendenzunternehmen insbesondere in sozialen und personellen Angelegenheiten sowie bei der Arbeitsplatzgestaltung, wobei es darauf ankommt, ob die Tendenz die Einschränkung dieser Beteiligungsrechte bedingt oder diese Einschränkung im Hinblick auf die Tendenz erforderlich ist, was in jedem Einzelfall zu prüfen ist.

Generell aus der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes nimmt § 118 Abs. 2 BetrVG die Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen aus.