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Sozialauswahl

By 03.08.2020Januar 13th, 2021Keine Kommentare

Sozialauswahl

Liegen dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG vor und machen diese betriebsbedingte => Kündigungen unvermeidbar, weil die Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, muss der Arbeitgeber, bevor er eine Kündigung ausspricht, die Erforderlichkeit einer Sozialauswahl prüfen. Denn eine Kündigung eines => Arbeitnehmers, dessen konkreter Arbeitsplatz wegfällt, ist nicht in jedem Fall gerechtfertigt. Vielmehr muss der Arbeitgeber denjenigen Arbeitnehmer ermitteln, der unter sozialen Gesichtspunkten am wenigsten hart von der Kündigung betroffen ist.

In die Sozialauswahl einzubeziehen sind alle vergleichbaren, das heißt untereinander austauschbaren Arbeitnehmer des => Betriebs, in dem Arbeitsmöglichkeiten aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse wegfallen. Hat das Unternehmen mehrere Betriebe, ist eine Ausdehnung des zu berücksichtigenden Personenkreises über den betroffenen Betrieb hinaus auf das Unternehmen nicht möglich. Die vergleichbaren Arbeitnehmer müssen auf derselben Ebene der Betriebshierarchie stehen. Insoweit muss die Umsetzung oder Versetzung des zu kündigenden Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz einseitig im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers zulässig sein.

Nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung durch Gesetz ausgeschlossen ist, wie beispielsweise Mitglieder des => Betriebsrats oder der => Jugend- und Auszubildendenvertretung aufgrund des besonderen => Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG. Ebenso aus der Sozialauswahl ausgenommen sind nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder auch zwecks des Erhalts, nicht aber der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

Als Kriterien für die soziale Auswahl nennt § 1 Abs. 3 KSchG die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten sowie eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Diese Kriterien, deren Aufzählung abschließend ist, müssen überhaupt und zudem ausreichend berücksichtigt werden. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit entspricht dabei der Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber, auch wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit in verschiedenen Betrieben beschäftigt war. Stand der Arbeitnehmer bereits früher in einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber, ist auch diese Beschäftigungszeit anzurechnen, wenn zwischen dem aktuellen und dem früheren Arbeitsverhältnis ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Auch sind Ausbildungszeiten einzubeziehen sowie gegebenenfalls im Fall eines Betriebsübergangs Beschäftigungszeit vor diesem beim Veräußerer des Betriebs. Auch Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses werden von der Betriebszugehörigkeit umfasst. Elternzeit nach dem BEEG sowie auch Wehr- und Zivildienstzeiten zählen somit zur Betriebszugehörigkeit. Die Berücksichtigung des Lebensalters schützt ältere Arbeitnehmer, die auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben. Aus deren Nähe zum Rentenalter und der Unterhaltspflicht eines jüngeren Arbeitnehmers für seine Kinder kann sich aber auch eine stärkere Schutzwürdigkeit des jüngeren Arbeitnehmers ergeben. Gesetzliche Unterhaltspflichten sind generell ein Kriterium der Sozialauswahl. Das Kriterium der Schwerbehinderung schützt sowohl die nach § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannten Schwerbehinderten mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent als auch die diesen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellten Personen mit einem geringeren Grad der Behinderung von wenigstens 30.

Bei der Wertung der vier genannten Kriterien der sozialen Auswahl und dem Verhältnis dieser Kriterien zueinander belässt das Gesetz dem Arbeitgeber einen Spielraum. Die Rechtsprechung macht dabei die Gewichtung im Einzelfall von den Entwicklungen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes abhängig. § 1 Abs. 4 KSchG lässt die Festlegung der Bewertung der Auswahlkriterien im Verhältnis zueinander in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung zu, wobei allerdings die gesetzlichen Vorgaben für die Vergleichbarkeit nicht verändert werden können. Geschieht eine solche Festlegung in einer Richtlinie nach § 95 BetrVG, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Im Fall einer solchen Festlegung kann nach § 1 Abs. 4 KSchG lediglich eine grobe Fehlerhaftigkeit der Bewertung Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Kündigungsschutzverfahren sein.