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Tarifvertrag

By 03.08.2020Januar 13th, 2021Keine Kommentare

Tarifvertrag

Der Tarifvertrag ist gemäß §§ 1 und 2 TVG ein schriftlicher Vertrag zwischen einer oder mehreren => Gewerkschaften einerseits und einem oder mehreren => Arbeitgebern andererseits. Inhalt des Tarifvertrags sind im schuldrechtlichen Teil die Rechte und Pflichten der jeweiligen Tarifvertragsparteien. In seinem normativen Teil umfasst der Tarifvertrag „Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.“ Für den Tarifvertrag können Bindungen an höherrangiges Recht, also Gesetze, Grundgesetz und Recht der Europäischen Union bestehen, die beim Vertragsabschluss zu beachten sind. In zahlreichen gesetzlichen Vorschriften ist die Abweichung von an sich zwingenden gesetzlichen Normen ausdrücklich erlaubt.

Die Rechtsnormen des Tarifvertrags werden als Gesetz im materiellen Sinn angesehen, so dass Verweise in der Rechtsordnung auf Gesetze oder gesetzliche Bestimmungen grundsätzlich auch den normativen Teil des Tarifvertrages erfassen, sofern die Auslegung der konkreten Vorschrift nicht die Beschränkung auf ein Gesetz im formellen Sinn ergibt. Bei den Überwachungsrechten und in weiteren Vorschriften stellt das Betriebsverfassungsgesetz den Tarifvertrag ausdrücklich neben Gesetze und Verordnungen.

Tarifgebunden sind nach § 3 TVG die Mitglieder der beiderseitigen Tarifvertragsparteien, bei denen es sich um Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie auch um einzelne Arbeitgeber, die Partei eines Tarifvertrages sind, handelt. Zwischen diesen beiderseitig Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen, gelten gemäß § 4 Satz 1 TVG Rechtsnormen des Tarifvertrags bezüglich Inhalt, Abschluss oder Beendigung des => Arbeitsverhältnisses unmittelbar und zwingend.

Soweit der Tarifvertrag Rechtsnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen enthält, gelten diese entsprechend § 4 Satz 1 TVG für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden sind.

Im schuldrechtlichen Teil können die Tarifvertragsparteien beispielsweise Revisions- und Nachverhandlungsklauseln sowie Tariföffnungsklauseln vereinbaren und Schieds- und Schlichtungsvereinbarungen treffen. Immanente Pflichten der Tarifvertragsparteien sind die Friedenspflicht und die Durchführungspflicht. Diese Vereinbarungen und Pflichten betreffen nur die Tarifvertragsparteien und nicht deren tarifgebundene Mitglieder. Teil der Durchführungspflicht ist jedoch eine Einwirkungspflicht der Tarifvertragsparteien auf ihre Mitglieder in Hinblick auf die Einhaltung der tariflichen Vorschriften, soweit es sich um einen Verbandstarifvertrag handelt. Möglich ist auch die Vereinbarung so genannter Meistbegünstigungsklauseln, in denen sich die Tarifvertragsparteien beispielsweise verpflichten, mit anderen Organisationen oder einzelnen Arbeitgebern keine vom vereinbarten Tarifvertrag abweichenden Tarifverträge zu schließen.

Unmittelbare und zwingende Wirkung auf das einzelne Arbeitsverhältnis haben die Rechtsnormen des Tarifvertrags über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Geregelt werden können dabei alle Formen von Arbeitsverhältnissen, ob Vollzeit, Teilzeit, befristet, geringfügig, Ausbildungsverhältnisse, Volontariate und Berufspraktika. Nach § 12a TVG können auch Regelungen für bestimmte arbeitnehmerähnliche Personen getroffen werden. Dabei können auch Rechtsverhältnisse geregelt werden, die das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar betreffen, jedoch mit ihm in einem inneren Zusammenhang stehen. Dies sind etwa Regelungen über Arbeitnehmerdarlehen, Werksmietwohnungen oder Personaleinkauf. Auch für den vor- und nachvertraglichen Bereich wie Bewerbungskosten oder Zeugnisse und Wettbewerbsverbote nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Regelungen getroffen werden.

Hinsichtlich des Abschlusses von Arbeitsverhältnissen kann der Tarifvertrag schutzorientierte Abschlussverbote für bestimmte Personengruppen, gruppenbezogene Abschlussgebote, beispielsweise nach erfolgreichem Abschluss eines Berufsausbildungsverhältnisses, und Formvorschriften enthalten. Normen bezüglich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen können beispielsweise Verfahren und Form der => Kündigung regeln, was auch eine Abänderung der gesetzlichen Kündigungsfristen und eine Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats umfasst. Möglich ist auch die Vereinbarung des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für ältere Arbeitnehmer, soweit dem § 1 Abs. 3 KSchG zur sozialen Auswahl nicht entgegensteht. Inhaltlich können neben den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses auch Neben- und Schutzpflichten geregelt werden. Dies kann etwa berufliche Qualifizierung, betriebliche Altersversorgung oder Rationalisierungsschutzabkommen betreffen.

Normen zu betrieblichen Fragen sind beispielsweise Regeln zur Zusammensetzung der Belegschaft unter qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten, etwa um Arbeitnehmer gegen Überforderung zu schützen oder die Arbeitsqualität zu fördern, oder zu Ladenöffnungszeiten an einem Samstag.

Normen zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sind solche, die die Organisation und die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz regeln, dessen Vorschriften häufig eine tarifvertragliche Disposition vorsehen.

Für den Geltungsbereich des Tarifvertrags können die Tarifvertragsparteien räumliche, betriebliche, persönliche und zeitliche Regelungen treffen. Dies betrifft das geographische Gebiet, in dem der Tarifvertrag gelten soll, die betroffenen Wirtschaftszweige, Arbeitnehmer- und Berufsgruppen sowie Inkrafttreten und Laufzeitende eines Tarifvertrages.