BR-LexikonF

Friedenspflicht

By 03.08.2020Januar 13th, 2021Keine Kommentare

Friedenspflicht

§ 74 Abs. 2 BetrVG unterwirft => Betriebsrat und => Arbeitgeber mit mehreren Regelungen einer umfassenden Friedenspflicht. Die Vorschrift untersagt den => Betriebsparteien Maßnahmen des Arbeitskampfes sowie Betätigungen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Schließlich untersagt die Vorschrift den Betriebsparteien auch jegliche parteipolitische Betätigung im Betrieb.

Das Verbot von Maßnahmen des Arbeitskampfes besagt, dass dem Betriebsrat ebenso wie dem Arbeitgeber die Durchführung wirtschaftlicher Kampfmaßnahmen zwecks Erzwingung ihrer Ziele im Rahmen der Betriebsverfassung generell untersagt ist. Der Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung und seine Mitglieder dürfen also weder zum Streik noch zur Betriebsbesetzung oder auch zur Arbeitsverlangsamung aufrufen. Ebenso wenig darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmer wegen einer Meinungsverschiedenheit in Sachen Mitbestimmungsrecht aussperren. Meinungsverschiedenheiten müssen auf dem Verhandlungsweg oder durch Anrufung der Einigungsstelle und gegebenenfalls auch des Arbeitsgerichts geklärt werden.

Unberührt von dem Verbot bleiben jedoch Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien, also einerseits der => Gewerkschaften und andererseits der Arbeitgeber-Vereinigungen oder fallweise auch einzelner Arbeitgeber. In diesem Fall ist der Betriebsrat als Organ zur Neutralität verpflichtet. Er darf also weder den Streik unterstützen noch die Arbeitnehmer aufrufen, am Arbeitskampf nicht teilzunehmen. Seine Mitglieder können sich dann jedoch, wenn sie als Gewerkschaftsmitglieder oder Arbeitnehmer auftreten und sich nicht auf ihre Mitgliedschaft im Betriebsrat beziehen, am Arbeitskampf beteiligen.

Das Verbot von Betätigungen, durch die der Arbeitsablauf oder Frieden des Betriebs beeinträchtig werden, erfasst aktives störendes Verhalten der Betriebsparteien, wobei bereits eine hohe Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung aufgrund konkreter Anhaltspunkte für das Verbot ausreicht. Das Verbot erfasst somit in unzulässiger Weise in die Gestaltung des Arbeitsprozesses eingreifende Handlungen. So darf der Betriebsrat die Arbeitnehmer beispielsweise nicht in unzulässiger Weise dazu auffordern, bestimmte Weisungen des Arbeitgebers nicht zu befolgen oder die Verrichtung bestimmter Arbeiten zu verweigern. Die Rechte des Betriebsrats, wonach er beispielsweise auf die Notwendigkeit der Einhaltung bestimmter Arbeitsschutzvorschriften und auch gegebenenfalls auf die Rechtswidrigkeit einer vom Arbeitgeber angeordneten Maßnahme hinweisen darf, werden von der Verbotsvorschrift jedoch nicht berührt, auch wenn deren Wahrnehmung den Arbeitsablauf stört. Der Friede des Betriebs beschreibt das störungsfreie Zusammenleben zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Arbeitnehmern sowie der Arbeitnehmer untereinander. Die Wahrnehmung der Rechte des Betriebsrats wird durch das Verbot den Betriebsfrieden beeinträchtigender Betätigungen in keinem Fall eingeschränkt.

Eine abstrakte Gefährdung schreibt das Gesetz der parteipolitischen Betätigung im Betrieb zu und untersagt diese deshalb generell sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern, sofern diese in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsmitglieder handeln. Das Verbot gilt auch für andere betriebsverfassungsrechtliche Funktionsträger wie etwa die Jugend- und Auszubildendenvertretung. Nicht eingeschränkt wird dadurch jedoch die Behandlung den Betrieb und seine => Arbeitnehmer unmittelbar betreffender Fragen, wozu das Gesetz ausdrücklich Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art anführt. Auch werden parteipolitische Aktivitäten der Betroffenen außerhalb des Betriebs vom Verbot des § 74 Abs. 2 BetrVG nicht erfasst.

Ausdrücklich erlaubt ist nach § 74 Abs. 3 BetrVG, dass Arbeitnehmer, die Aufgaben im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes übernehmen, sich für ihre Gewerkschaft im => Betrieb betätigen. In ihrem Amt allerdings sind sie dann auch zur Neutralität verpflichtet.